Auftragsforschung galore! Über Twitter erreicht mich eine Anfrage von Eiserne Ketten, einem Taktikblog über den FC Union Berlin: Ob ich Daten über die Verwendungshäufigkeiten von „spielbestimmend“ und „das Spiel machen“ hätte. Habe ich natürlich, aber was wollen die Eisernen Ketten genau wissen? Ich vermute mal, ungefähr so etwas wie seinerzeit beim Ballbesitz, etwas diachrones also, und auf Nachfrage zeigen sie sich auch an den Kontexten interessiert. Na also, da kann ich liefern.

spielbestimmend

Der Erstbeleg, den das Deutsche Referenzkorpus ausspuckt, datiert auf das Jahr 1964 in einem Artikel der DDR-Zeitung Neues Deutschland: „In der ersten Halbzeit war die Vorwärts-Elf spielbestimmend, ihren klaren Vorteilen entsprangen jedoch nur zwei Pfosten- und Lattenschüsse.“ Aber erst in den Neunziger Jahren scheint sich das Wort in Pressetexten zu etablieren und seit ungefähr zehn Jahren wird es gleichbleibend häufig verwendet. Bei weitem überwiegt übrigens wie im Erstbeleg die prädikative Verwendung spielbestimmend sein.

Auch in Livetickern und Spielberichten von kicker.de und weltfussball.de der letzten zehn Jahre zeigt sich, dass spielbestimmend  ein etabliertes Wort ist, das mal öfter, mal seltener benutzt wird, aber es zeigt sich keine aussagekräftige Tendenz in der Verwendungshäufigkeit.

Interessant wird es aber bei den Kookkurrenzen, also Wörtern, die im Kontext von spielbestimmend überdurchschnittlich häufig verwendet werden. Dort findet sich neben den erwartbaren Wörtern Mannschaft und klar nämlich auch das Wörtchen aber. Eine typische Formulierung, wie sie sich ja schon im Erstbeleg findet, scheint also zu sein, dass eine Mannschaft zwar klar spielbestimmend war, aber … zu viele Chancen vergab, daraus kein Kapital schlagen konnte, zu unplatziert abschloss usw. Es ergibt sich also der interessante Befund, dass spielbestimmend zwar vorderhand ein positives Attribut zu sein scheint, aber einer Mannschaft eher dann zugeschrieben wird, wenn sie eben doch nicht überzeugt. Ein Lob als Startrampe für Kritik.

Dieser Befund lässt sich auch anhand der Liveticker bestätigen, auch hier ist aber unter den statistisch auffälligsten Kookkurrenzen. Hier ein Auszug aus den entsprechenden Belegen der kicker-Liveticker:

das Spiel machen

Hier gestaltet sich die Suche insgesamt schwieriger, weil man nicht einschlägige Treffer wie „macht das Spiel schnell“ ausschließen muss. Aber ich versuche mein Glück.

Hier finde ich den frühesten Beleg im Kicker vom 17.12.1970 in einem Artikel über Helmut Haller: „Er machte das Spiel, schoß beide Tore, und wurde von seinen Kameraden im Triumph vom Platz getragen.“ Aber auch diese Phrase etabliert sich erst in den Neunzigern so richtig und ist ab dann gleichbleibend häufig. Ob die folgende Kurve, basierend auf weltfussball-Livetickern, belastbar ist, also tatsächlich Ende der Nuller Jahre eine Blütephase war, weiß ich nicht so recht.

Es gibt zwei verschiedene Verwendungsweisen der Phrase „das Spiel machen“.  Ein Einzelspieler kann das Spiel machen, also maßgeblich für den Erfolg verantwortlich sein. Oder, und das ist eindeutig die häufigere Verwendungsweise, eine Mannschaft macht das  Spiel, sie übernimmt also den offensiveren Part, hat mehr Ballbesitz usw.

Auch hier sind die Kookkurrenzen interessant. In den kompletten weltfussball-Livetickern der letzten zehn Jahre (Bundesliga, Champions League, DFB-Pokal, EM und WM) ist der statistisch auffälligste Kookkurrenzpartner das Modalverb müssen. Wenn der Gegner hinten drinsteht und auf Konter lauert (auch das Kookkurrenzpartner), dann muss man das Spiel machen. Auch hier ist die vorderhand positive Beschreibung also letztlich doch ambivalent, zumal auch hier vielfach mit aber angeschlossen wird. Ein paar Belege, die diese Ambivalenz zeigen:

Was die Hertha hier produziert, ist wirklich viel zu wenig . Offensichtlich ist die Mannschaft damit überfordert, selbst das Spiel machen zu müssen .

Schalke macht das Spiel, kommt aber weiterhin zu selten zum Abschluss .

Der KSC macht zwar das Spiel, verliert aber immer wieder den Ball im Spielaufbau und läuft dann in schnelle Konter rein.

Und besonders deutlich wird diese Ambivalenz in der folgenden Formulierung, die sich so oder so ähnlich gleich mehrfach findet:

Frankfurt macht das Spiel, Stuttgart trifft!

Stuttgart macht das Spiel, Bremen die Tore.

Insgesamt zeigt sich also, und das ist schon überraschend: Spielbestimmend zu sein und das Spiel zu machen ist was für Verlierer. Oder um genau zu sein: Spielbestimmend und das Spiel machend genannt zu werden ist was für Verlierer.