Schlagwort: Liveticker

Ein Traum!

In Livetickern, so viel ist sicher, geht es sehr expressiv zu. Allein über das zu informieren, was auf dem Platz passiert, ist offenbar nicht genug, um die Leserinnen und Leser massenhaft an die Smartphones und Bildschirme zu locken. Livetickerautoren müssen wohl immer auch die Perspektive der Fans einnehmen und – unparteiisch zwar, aber doch mit Nachdruck – emotionale Involviertheit in das Spielgeschehen zum Ausdruck bringen. Begeisterung zeigen, wenn Begeisterndes passiert, und offensiv maulen, wenn es ausbleibt.

Sprachliche Mittel des Expressiven gibt es viele und es gibt sie auf den verschiedensten sprachlichen Ebenen, von der Morphologie und Lexik über die Sytnax bis hin zur Graphostilistik. In dem Post Wahnsinnsdampfhammer bin ich kürzlich einem Phänomen an der Schwelle von der Lexik zur Morphologie nachgegangen, und die Beobachtung, dass Wahnsinn mehr und mehr zum Affix wird, weite ich hier auf das Lexem Traum aus.

In insgesamt 5190 Livetickern von weltfussball.de aus den Jahren 2006–16 (Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League, EM und WM) kommt Traum natürlich als Einzellexem vor, exakt 304 mal, und zwar zumeist als Traum (der Mannschaft und der Fans) vom Finale, vom Titelvon Europa, von Berlin usw., der sich manchmal erfüllt, meistens jedoch platzt oder ausgeträumt ist.

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Kleine Rollenkunde Teil 2 – Die Taktikfuchs-Variante

[Vorbemerkung vom 12.12.2016: Gegenüber der Erstveröffentlichung des Artikels, auf die sich Tobias Escher in seiner Kolumne bezieht, hat sich die Datenbasis inzwischen ungefähr versechsfacht.]

Kürzlich habe ich hier eine kleine Rollenkunde des modernen Fußballs veröffentlicht, für die ich automatisiert aus ein paar Tausend Livetickern und Spielberichten als-Konstruktionen extrahiert habe. Denn vor allem mit diesen Konstruktionen verleiht man sprachlich den vielfältigen Rollen Ausdruck, in die ein Spieler während des Spiels schlüpfen kann und als polyvalenter Spieler auch schlüpfen muss.

Das Rollenarsenal der untersuchten Webseiten kicker.de und weltfussball.de war mit 342 verschiedenen Rollen schon recht beeindruckend. Doch wie sieht es in einem Medium aus, das sich für seine fußballtaktischen Analysen gerade die Unterscheidung verschiedenster Spielerrollen auf die Fahnen schreibt? Hier ist noch viel mehr Feingliedrigkeit in den Taxonomien zu erwarten, so wie ein Biologe 85 mitteleuropäische Libellenarten unterscheidet, wo der Laie allenfalls rote, grüne und blaue kennt.

Ich habe also auch die 1025 Bundesliga-Analysen des Taktikblogs Spielverlagerung.de der letzten fünf Jahre einer solchen Rollenanalyse unterzogen. (Notiz am Rande: Runtergeladen habe ich die Daten mit dem Kommandozeilenprogramm wget.)

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Kleine Rollenkunde des modernen Fußballs

Das Taktiklexikon von spielverlagerung.de führt alle Interessierten in die Finessen der Fußballtaktik ein, wozu ganz wesentlich auch die ausgefeilte Taxonomie der Spielerrollen gehört. Neben Altbekannten wie dem Spielmacher oder der hängenden Spitze kennt man nun auch den vorstoßenden Innen- oder Halbverteidiger.

Sprachlich betrachtet lassen sich Rollen recht gut daran erkennen, dass sie in als-Konstruktionen auftauchen. Jemand spielt als Innenverteidiger, überzeugt als Spielmacher oder tritt als Vorlagengeber in Erscheinung. Und diese Konstruktionen lassen sich in POS-annotierten Korpora ganz einfach mit der folgenden Suchanfrage ermitteln: KOKOM (ADJA) NN (man lese bei Interesse nach bei Marcus Müller: Sprachliches Rollenverhalten).

Eine entsprechende Suche in den je 3060 kicker.de-Livetickern und Spielberichten zur Bundesliga der letzten zehn Jahre und einer Auswahl von 2488 weltfussball.de-Livetickern spuckt eine stolze Liste aus, die auch nach manueller Bereinigung sage und schreibe 342 verschiedene Spielerrollen umfasst. Darunter auch so spezifische wie der spielende Stoßstürmer, rustikale wie die Brechstange und ganz exotische wie die launische Diva.

Dabei werden hier, wie es im modernen Fußball eben so ist, nicht nur pauschale Rollen verzeichnet, die ein Spieler das ganze Spiel über auszufüllen hat. Variabel muss man sein, wenn man Erfolg haben will, und immer wieder in neue Rollen schlüpfen, so wie es die aktuelle Spielsituation eben verlangt. Polyvalenz nennt man das neuerdings, und hier liefere ich ein paar Anregungen zur Polyvalenzoptimierung.

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Das Ende des Ballbesitzes?

Der allseits bekannte Fußballphilosoph (und Inhaber der DFB-Trainer-Lizenz, wie der Deutschlandfunk nicht müde wird zu betonen) Wolfram Eilenberger hat neulich in einer seiner Kabinenpredigten die „Idiotie mit dem Ballbesitz“ hart gegeißelt. Die Messgröße Ballbesitz sei ein Blindwert, der mit dem tatsächlichen Spielgeschehen nicht in ein analysetaugliches Verhältnis zu bringen sei. Trotzdem dominiere das Gerede vom Ballbesitz die Analysen der Trainer und Experten, womit Eilenberger Schluss machen möchte, und zwar am liebsten sofort.

Die Diagnose des alles beherrschenden Ballbesitzgeredes klingt plausibel. Sie müsste aber diachron spezifiziert werden. Das Wort ist zwar seit den Sechziger Jahren nachzuweisen (siehe den frühesten Beleg vom 8.6.1962 in Die Zeit), doch scheint es erst in in den letzten Jahren wirklich prominent geworden zu sein. Ist das so? Wir müssen glücklicherweise nicht spekulieren und überprüfen es empirisch.

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Wahnsinnsdampfhammer!

Livetickerautoren neigen  zu Übertreibungen. Eine vergebene Chance aus dem Finale des Africa Cups 2015 liest sich in einem weltfussball.de-Liveticker so:

Aluminiumkracher von Atsu! Ein beherzter Vorstoß von Ayew auf dem linken Flügel endet in einer Vorlage für den Everton-Profi, der aus mehr als zwanzig Metern einen Wahnsinnsknaller auf den Kasten feuert. Barry schaut verdutzt, während der Ball an den rechten Pfosten kracht!

Wahnsinn, so ein Spiel will doch man sehen!

In dieser Tickermeldung findet man vieles von dem, was Tickermeldungen eben auszeichnet. Und man findet das Präfix Wahnsinn-, das in gerade in Livetickern so produktiv ist. Hier die beeindruckende Liste von Wahnsinnswortbildungen aus 2488 weltfussball.de-Livetickern in absteigender Frequenz:

Wahnsinnsspiel, Wahnsinnstat, Wahnsinnspass, Wahnsinnsparade, Wahnsinnstor, Wahnsinnsding, Wahnsinnsreaktion, Wahnsinnshammer, Wahnsinnsreflex, Wahnsinnssolo, Wahnsinnsstimmung, Wahnsinnstreffer, Wahnsinnsaktion, Wahnsinnsbeginn, Wahnsinnseinstand, Wahnsinnspartie, Wahnsinnstempo, Wahnsinns-4:4, Wahnsinnsantritt, Wahnsinnsaufholjagd, Wahnsinnsauftritt, Wahnsinnsbude, Wahnsinnscomeback, Wahnsinnsdampfhammer, Wahnsinnsfreistoß, Wahnsinnsfreistoßtor, Wahnsinnsrettungstat, Wahnsinnschoreographie, Wahnsinnsdoppelchance, Wahnsinnsdribbling, Wahnsinnsflanke, Wahnsinnsflugparade, Wahnsinnsgefühl, Wahnsinnsknaller, Wahnsinnskopfball, Wahnsinnskracher, Wahnsinnspatzer, Wahnsinnsquote, Wahnsinnsrakete, Wahnsinnsschuss, Wahnsinnsstart, Wahnsinnsstatistik, Wahnsinnsszene

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Anstoß!

losgehts

Was wäre die Fußballlinguistik ohne die in unüberschaubarer Menge verfügbaren Daten im Netz? Auf weltfussball.de z.B. finden sich sämtliche Liveticker der letzten Jahre, die sich dank systematisch vergebener URLs leicht crawlen lassen.

Diese KWIC-Liste aus einem Korpus von Livetickern zu 2488 Spielen von eben dieser Quelle soll den Anpfiff für fussballlinguistik.de bilden. Der regelmäßige Spielbetrieb beginnt genau jetzt.

 

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