Im Dezember hatte ich mal wieder einen Auftritt im Podcast „Die Phrasendrescher“, der für den traditionellen spielverlagerung.de-Adventskalender reaktiviert worden war. Das Thema war dieses Mal die spielverlagerung.de-typische Fußballsprache, und da lag es nahe, das über diesen Podcast auszuspielen. Ich durfte mit den Hosts Martin Rafelt und Tim Rieke über den schönen Ausdruck „Präsenz“ sprechen. Bei der Recherche zum Gebrauchsprofil dieses Ausdrucks im spielverlagerung-Korpus war mir unter anderem die Produktivität bei der Kompositabildung aufgefallen, denn ich hatte 100 verschiedene Komposita mit Erst- oder Zweitglied präsenz gefunden, von der Offensivpräsenz über das Präsenzproblem bis hin zur Zugriffspräsenz. Im Gespräch mit den beiden Experten war dann die Idee aufgekommen, mal generell nach besonders produktiven Wörtern im Spielverlagerungswortschatz zu schauen, was die Kompositumsbildung angeht. Denn es dürfte ja allen Leser:innen der Blogs längst aufgefallen sein, dass die Möglichkeiten der deutschen Morphologie in der Fachsprache des Blogs stark ausgereizt werden, immer auf der Suche nach ebenso präzisen wie konzisen Beschreibung.
WeiterlesenKategorie: Taktikblog
Fans und Medien: das gehört irgendwie zusammen. Medienberichterstattung und Medienkonsum können die Beziehung zum Fanobjekt intensivieren oder überhaupt erst ermöglichen, und die Forschung hat oft gezeigt, dass sich Fans im Allgemeinen und Fußballfans im Besonderen durch intensive Mediennutzung auszeichnen (Ohr 2010). Allerdings wird die Medienberichterstattung gerade von Fans auch häufig kritisch hinterfragt. Eben weil sie so gut über ihre Vereine informiert sind, wird die massenmediale Berichterstattung häufig als zu sensationalistisch, zu oberflächlich oder auch als tendenziös kritisiert. Dazu kommt, dass Fansein insbesondere seit der Etablierung digitaler und Sozialer Medien oft mit eigener Medienproduktion einhergeht, die der kritischen Haltung gegenüber den ‚offiziellen‘ Medien Ausdruck verleiht. Portale wie faszination-fankurve.de und vor allem Fanzines wie schwatzgelb.de sind hier zu nennen.
WeiterlesenEines der grundlegenden Verfahren der Beschreibung von Fußballtaktik ist die Bestimmung von Spielformationen, jenen schematischen Anordnungen der Spieler einer Mannschaft auf dem Feld, die typischerweise als Zahlenkombinationen angegeben werden. Zwar sagt die Formation selbst noch wenig darüber aus, wie eine Mannschaft tatsächlich spielt, aber sie disponiert eben doch für bestimmte taktische Ausrichtungen und wird deshalb in Taktikanalysen gerne als Beschreibungs- und Erklärungsmittel eingesetzt.
Das gilt für die Mainstream-Presse wie die Spielberichte auf kicker.de, und es gilt natürlich noch mehr für die kenntnisreichen Taktikanalysen auf Taktikblogs wie spielverlagerung.de, wo eigentlich kaum eine Analyse ohne diese Zahlenspiele auskommt. In Zahlen: Von 3060 Bundesliga-Spielberichten (2006–2016) von kicker.de werden in gerade einmal 160 Spielberichten solche Zahlenkombinationen genannt, bei einer relativen Häufigkeit von 106 pro Mio. Tokens. Bei spielverlagerung.de dagegen sind sie in 1.575 von insgesamt 1.684 Texten zu finden, und die relative Häufigkeit ist mit 3.584 pro Mio. Tokens mehr als dreißig Mal so hoch.
Wer sich umfassend und detailreich über Fußballtaktik in ihrer ganzen Komplexität informieren möchte, der lese die Taktikanalysen von spielverlagerung.de. Und wem die „drischt die Kugel beherzt in den Winkel“-Diktion der Mainstream-Fußballpresse zu wenig differenziert ist, für den gilt dasselbe. Differenziertheit in den Beschreibungen und den Urteilen ist ganz sicher eine der obersten Maximen der SV-Autoren, was man nicht zuletzt an der neulich hier von mir zusammengestellten, unfassbar feingliedrigen Rollentaxonomie ersehen kann, die über die Jahre entwickelt wurde.
Das gefällt nicht jedem und muss es auch nicht. Zu kompliziert, zu nerdig, zu oberlehrerhaft sei das ganze. Was mir dagegen gefällt, ist die Reflektiertheit und, ha! Differenziertheit, mit der sich etwa der spielverlagerung-Gründer Tobias Escher – übrigens ausgebildeter Linguist – über die Funktionalität und den Adressatenzuschnitt des fachsprachlichen Registers geäußert hat, auch wenn er es so nicht genannt hat. Die Taktikanalysen richten sich eben nicht an alle, sondern an die, die ein Interesse an präzisen und fachlich korrekten Beschreibungen haben. Und neben den Grafiken sind nunmal sprachliche Beschreibungen das wichtigste Instrumentarium der Taktikanalysen, das dementsprechend gut präpariert sein will.
[Vorbemerkung vom 12.12.2016: Gegenüber der Erstveröffentlichung des Artikels, auf die sich Tobias Escher in seiner Kolumne bezieht, hat sich die Datenbasis inzwischen ungefähr versechsfacht.]
Kürzlich habe ich hier eine kleine Rollenkunde des modernen Fußballs veröffentlicht, für die ich automatisiert aus ein paar Tausend Livetickern und Spielberichten als-Konstruktionen extrahiert habe. Denn vor allem mit diesen Konstruktionen verleiht man sprachlich den vielfältigen Rollen Ausdruck, in die ein Spieler während des Spiels schlüpfen kann und als polyvalenter Spieler auch schlüpfen muss.
Das Rollenarsenal der untersuchten Webseiten kicker.de und weltfussball.de war mit 342 verschiedenen Rollen schon recht beeindruckend. Doch wie sieht es in einem Medium aus, das sich für seine fußballtaktischen Analysen gerade die Unterscheidung verschiedenster Spielerrollen auf die Fahnen schreibt? Hier ist noch viel mehr Feingliedrigkeit in den Taxonomien zu erwarten, so wie ein Biologe 85 mitteleuropäische Libellenarten unterscheidet, wo der Laie allenfalls rote, grüne und blaue kennt.
Ich habe also auch die 1025 Bundesliga-Analysen des Taktikblogs Spielverlagerung.de der letzten fünf Jahre einer solchen Rollenanalyse unterzogen. (Notiz am Rande: Runtergeladen habe ich die Daten mit dem Kommandozeilenprogramm wget.)