Und wieder rücke ich weiter nach vorne und errechne nun nach dem perfekten Torwart und dem perfekten Verteidiger auch das Portfolio des perfekten Mittelfeldspielers aus. Dazu unterziehe ich 1056 Elf-des-Tages-Texte aus 95 Spieltagen von sportschau.de und goal.com einer positionssortierten statistischen Keyword-Analyse. Der Computer zählt alle Wörter in den Mittelfeldspieler-Laudationes aus, vergleicht diese Frequenzliste mit der des gesamten Korpus und zeigt alle Wörter an, die in diesen Texten überzufällig häufig und deshalb typisch sind.
Solche Keywordlisten von Lobeshymnen auf vorbildliches Mittelfeldspiel sind das sprachliche Skelett der Erwartungshaltungen, die Journalisten derzeit an das Fußballspiel herantragen. Ich betätige mich dagegen als umgekehrter Anatom und behänge die Knochen wieder mit Fleisch – ich ergänze also die Wörter zu typischen Mittelfeldphrasen. Um in der Elf des Tages zu landen, müssen Mittelfeldspieler einfach nur das hier tun (alle signifikanten Keywords sind fett markiert, das statistische Maß war Log Likelihood Ratio, p < 0,05):
Dreh- und Angelpunkt des Spiels sein | an allen Treffern beteiligt sein | Tore auflegen und vorbereiten und eines selbst erzielen | der auffälligste Spieler auf dem Platz sein | die meisten Zweikämpfe führen | eine herausragende Laufleistung von mehr als 11 Kilometern hinlegen
Interessant ist hier vor allem der Kontrast zu den Verteidigern. Wurden diese vor allem an ihren in Prozent messbaren Zweikampfquoten gemessen werden, sind es bei den Mittelfeldspielern die Laufleistungen in Kilometern. Aufschlussreich ist auch das Wörtchen auffällig – damit ist eine Eigenschaft angesprochen, die Verteidigern eher nicht zukommen sollte, da im Defensivbereich vor allem Fehler auffallen würden. Verteidiger müssen ihren Job souverän und solide erledigen, mit einer Attitüde, die man in der Renaissance als sprezzatura beschrieben hat, und dazu gehört es eben gerade, auf auffällige Weise unauffällig zu sein.
Knapp unterhalb der Signifikanzschwelle führt die Keywordliste noch drei weitere aufschlussreiche Wörter: agil, schön und ballsicher. Auch das sind offenbar Eigenschaften, die man weder Verteidigern und Stürmern erwartet; diese müssen vielmehr eine gewisse Robustheit und Duchschlagskraft an den Tag legen.
Und wer ist nun der perfekte Mittelfeldspieler? Ungefährdet an der Spitze mit 18 Nominierungen: Henrikh Mkhitaryan.
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