Fans und Medien: das gehört irgendwie zusammen. Medienberichterstattung und Medienkonsum können die Beziehung zum Fanobjekt intensivieren oder überhaupt erst ermöglichen, und die Forschung hat oft gezeigt, dass sich Fans im Allgemeinen und Fußballfans im Besonderen durch intensive Mediennutzung auszeichnen (Ohr 2010). Allerdings wird die Medienberichterstattung gerade von Fans auch häufig kritisch hinterfragt. Eben weil sie so gut über ihre Vereine informiert sind, wird die massenmediale Berichterstattung häufig als zu sensationalistisch, zu oberflächlich oder auch als tendenziös kritisiert. Dazu kommt, dass Fansein insbesondere seit der Etablierung digitaler und Sozialer Medien oft mit eigener Medienproduktion einhergeht, die der kritischen Haltung gegenüber den ‚offiziellen‘ Medien Ausdruck verleiht. Portale wie faszination-fankurve.de und vor allem Fanzines wie schwatzgelb.de sind hier zu nennen.

Für einen Aufsatz, der kürzlich in der Zeitschrift für Diskursforschung (in einem von Philipp Dreesen und Peter Stücheli-Herlach herausgegebenen Sonderheft) erschienen ist (Meier-Vieracker 2021), habe ich mich mit dem von mir so genannten kritischen Medienmoditoring von Fußballfans beschäftigt. Dazu habe ich ein umfangreiches Korpus von Blogposts und Userkommentaren der Seiten schwatzgelb.de, textilvergehen.de, miasanrot.com, seitenwahl.de, effzeh.com und breitnigge.de erstellt. Knapp 9000 Texte plus ca. 150.000 Kommentare mit jeweils rund 7 Mio. Wörtern. Ergänzend habe ich mir auch die Kommentarbereiche des Taktikblogs spielverlagerung.de (ca. 90.000 Kommentare und 5 Mio. Wörter) angesehen, der sich schließlich auch als eine Art Gegenentwurf zur herkömmlichen Fußballberichterstattung begreift.

Thematisierung der redaktionellen Medien in Fanzines

Mein Vorgehen war recht simpel: Ich habe mir in einem ersten Schritt Überblick verschafft, wie die Lexeme Presse und Medien einschließlich Komposita wie Mainstreammedien verwendet werden, wie und in welchen Zusammenhängen also überhaupt ‚die Medien‘ aus der Fanperspektive thematisiert werden. Sehr auffällig ist die Kritik am Sensationsjournalismus z.B. in der Rede vom deutschen Clásico. In Kollokationsanalysen, also der Erhebung von Wörtern, die besonders oft im direkten Kontext zu Medien verwendet werden, erweisen sich passend dazu Wörter wie aufbauschen, überhöhen, ausschlachten oder auch sensationsgeil als typisch. Häufig anzutreffen ist auch die Kritik an der Phrasendrescherei, derer die Medien gerne bezichtigt werden und die als Symptom für Oberflächlichkeit gedeutet wird.

Medienkritik als Positionierung

Nun ist es ja so, dass die man mit sich mit solcher Abwertung der Medien immer auch ein wenig selbst aufwertet. Man selbst ist jemand, der oder die eben nicht nur so oberflächlich über Fußball redet, oder zumindest jemand, der oder die diese Oberflächlichkeit durchschaut. In der Sozialpsychologie und auch der Linguistik spricht man hier von Selbst- und Fremdpositionierungen, die besonders für Bewertungen typisch sind (Du Bois 2007). Deshalb habe ich mir in einem zweiten Schritt alle Belege im Detail angesehen, in denen Fans und Medien zugleich erwähnt werden, und Kategorien gebildet.

In vielen Belegen, das wäre die erste Kategorie, begreifen sich die Fans ganz selbstbewusst als eigenständige Akteursgruppe im Fußball neben anderen: Vereine, Medien und Fans ist eine häufig anzutreffende Aufzählung. Typischerweise werden diesen Gruppen unterschiedliche Ansprüche und Erwartungshaltungen zugeschrieben: Während die Medien an „Possen“ um Verletzungen ihren Spaß haben, geht es den Fans natürlich nur um den Fußball.

In die zweite Kategorie habe ich die Belege einsortiert, in denen sich Fans als Opfer der Medien darstellen, sei es durch überspitzende oder gar falsche Darstellung der Fans in den Medien (etwa wenn Ultras als Hooligans beschrieben werden) oder dadurch, dass sich Fans von Medienhypes ‚anstecken‘ lassen. Hier ist tatsächlich auffällig, dass sich Fans schon in Selbstkritik üben, die eigentliche Verantwortung für das kritisierte Verhalten aber den Medien zugewiesen wird.

In wiederum anderen Belegen, welche meine dritte Gruppe bilden, werden Fans als Meinungskoalitionär:innen der Medien dargestellt und kritisiert. Allerdings nehmen die Schreibenden sich selbst von dieser Kritik aus. Auffällig häufig finden sich hier sog. Quantorenphrasen wie einige, viele oder manche Fans, denen z.B. vorgeworfen wird, sich am ‚Rumgebashe‘ der Medien gegen einzelne Spieler bereitwillig zu beteiligen. Ähnlich funktionieren auch Komposita wie Erfolgsfans, Modefans, Schönwetterfans usw. (Del Percio 2015) und Wendungen wie sogenannte Fans. Es ist also gerade eine unkritische Haltung gegenüber den Medien, die sozusagen ‚falsche‘ Fans entlarvt, und umgekehrt ist es eine kritische Distanz gegenüber den Medien, welche ‚echte‘ Fans auszeichnet.

Das führt zur vierten und letzten Gruppe von Belegen, in denen Fans im Widerstand gegen die Medien beschrieben werden. Besonders im Kontext von Protestaktionen verwehren sich Fans typischerweise den Darstellungsweisen eben dieser Protestaktionen durch die redaktionellen Medien (hierin liegt insofern eine Paradoxie, als die meist auf Sichtbarkeit angelegten spektakulären Aktionen es gerade darauf anlegen, dass über sie berichtet wird, wogegen man sich dann aber anschließend wieder wehrt). Auch dass Medien die von Fans vergebenen Spitznamen der Spieler ‚vereinnahmen‘, wird klar kritisiert, so als verliere eine fankulturelle Praktik ihren Wert, wenn sie keine ausschließlich fankulturelle Praktik mehr ist. Solche Beispiele legen nahe, dass sich die bewusst widerständige Fanidentität aus einer prinzipielle Oppositionshaltung gegenüber den Medien speist und diese regelrecht kultiviert.

Fazit

So wie Medienkonsum zum Fußballfansein dazugehört, so ist auch Medienkritik fest im Repertoire von Fußballfans. Es ist für das eigene Fansein geradezu konstitutiv, sich nicht mit den Deutungsangeboten der redaktionellen Medien zufrieden zu geben, und wer es doch tut, ist eben kein richtiger Fan. Mit der Positionierungstheorie lässt sich das gut beschreiben: Nicht nur den Medien gegenüber positionieren sich Fans kritisch, sondern Medienkritik kann auch innerhalb der doch recht großen Bandbreite an Zuschauenden zur Disktinktion genutzt werden.

Literatur

  • Del Percio, Alfonso (2015): New speakers on lost ground in the football stadium. In: Applied Linguistics Review 6 (2), S. 261–280. doi:10.1515/applirev-2015-0013.
  • Du Bois, John W. (2007): The stance triangle. In: Englebretson, Robert (Hg.): Stancetaking in Discourse: Subjectivity, evaluation, interaction. Amsterdam: Benjamins. S. 139–182. doi:10.1075/pbns.164.07du.
  • Meier-Vieracker, Simon (2021): Diskurslinguistik für Fans. Kritisches Medienmonitoring von Fußballfans als Gegenstand und Ziel der Diskurslinguistik. In: Zeitschrift für Diskursforschung 2020 (2/3), S. 118–140.
  • Ohr, Dieter (2010): Fans und Medien. In: Roose, Jochen/Schäfer, Mike S./Schmidt-Lux, Thomas (Hg.): Fans. Soziologische Perspektiven. Wiesbaden: Springer VS. S. 333–362. doi:10.1007/978-3-658-17520-7_14.